Position der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (6.April 2021)
Voraussichtlich am 22. April 2021 wird der Stadtrat über die Ausschreibung für neue Verträge für die Außenwerbung in Dresden entscheiden. Dazu haben sich die Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, CDU und FDP nach intensivem Austausch auf einen gemeinsamen Änderungsantrag geeinigt. Im Folgenden erläutern wir unsere Position.
Allgemeines
Die Vorlage der Verwaltung enthält sehr gute Ansätze. Es ist ein umfassendes Konzept erarbeitet worden, wo in Dresden Werbeanlagen errichtet werden dürfen und wie sie gestaltet werden sollen. Dieses Konzept begrüßen wir ausdrücklich. Auch die Interessen der Stadt Dresden, in anderen Städten zu werben, wird in der Vorlage angemessen berücksichtigt. So werden die Werbung in Dresden und die Werbung für Dresden bzw. der Bedarf an Informationen für die Menschen in der Stadt durch die Stadtverwaltung mit Hilfe der Werbeanlagen sinnvoll zusammengedacht.
Diese begrüßenswerten Aspekte sind Bestandteil der vorgesehenen Ausschreibung. Zentral ist es, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Darum werden Einzelheiten dazu zwangsläufig erst nach dem Beschluss des Stadtrates veröffentlicht werden.
Nachgeschärft haben wir als GRÜNE in den Verhandlungen mit CDU und FDP vor allem den Zuschnitt von Teil-Konzessionen nach der Art der Werbeanlagen und im Zusammenhang damit die Gestaltung der Ausschreibung in Bezug auf zeitgemäße digitale Medien. Außerdem haben wir die Rolle von ökologischen Kriterien in der Ausschreibung entscheidend gestärkt. Das sind die wesentlichen Schwerpunkte unseres gemeinsamen Änderungsantrags. Im Folgenden wird unsere Position genauer erläutert. Dabei gehen wir auch auf die Kritik der LINKEN und der SPD ein.
30 Jahre
30 Jahre! So alt sind die derzeit geltenden Verträge zur Außenwerbung. Sie wurden im Juli 1991 mit den Firmen STRÖER und JCDecaux (inzwischen fusioniert mit WALL) geschlossen. Viele Regelungen daraus haben sich inzwischen zum Nachteil für die Stadt entwickelt. So wurden die Einnahmen aus den Konzessionen seit drei Jahrzehnten nicht angepasst. Die Kosten für die Installation der Anlagen haben die Konzessionsnehmer dagegen längst erwirtschaftet. Notwendige Weiterentwicklungen des Dresdner Werbemarktes sind durch die eng gefassten Vertragsinhalte nicht möglich. Unter anderem waren in der Vergangenheit die Stadt als auch die DVB gezwungen, Haltestellen mit Fahrgastunterständen auszustatten, da seitens JCDecaux die Anzahl auf 800 Stk. begrenzt wurde. Weiterhin stagniert die Höhe der Einnahmen für die Stadt aus den Stadtwerbeverträgen bei ca. 1,17 Mill. Euro bei einer deutlichen Erhöhung der Umsätze des Werbemarktes bundesweit. Mit der Neuausschreibung sollen u.a. die Einnahmen für die Stadt auf 2,5 Mill. Euro erhöht werden. Aus Sicht des Wettbewerbsrechts sind die geltenden Verträge und die lange Vertragsdauer mittlerweile rechtswidrig. Denn sie schaffen ein Monopol für Werbeanlagen in Dresden für die Konzessionsnehmer.
Unsere Position:
Die Verträge dürfen nicht noch einmal verlängert werden. Ab Januar 2023 sollen neue, bessere Regeln für die Konzession von Außenwerbung in Dresden gelten.
800 Unterstände
Die Verträge von 1991 sehen vor, dass die Anlagen auch nach dem Auslaufen der Konzessionen im Besitz der Werbefirmen bleiben und mit Vertragsende durch diese abgebaut werden. Das gilt insbesondere für rund 800 Unterstände, die derzeit an den Haltestellen der Dresdner Verkehrsbetriebe aufgebaut sind und Eigentum der WALL JCDecaux sind. Diese Unterstände werden am 01.01.2023 immer noch der Firma WALL gehören, obwohl die Konzession für Werbung, in deren Rahmen sie errichtet wurden, nicht mehr gilt.
Die Firma WALL JCDecaux hat der Stadt die Unterstände zum Erwerb mit zwei Optionen angeboten. In der ersten Option kann die Stadt diese für 2 Millionen Euro, also rund 2.500 Euro pro Unterstand zuzüglich Mehrwertsteuer übernehmen. Die zweite Option sieht einen Kaufpreis von 4 Mill. Euro vor bei Erwerb durch ein städtisches Unternehmen, z.B. DVB, oder einen zukünftigen Konzessionär. Bei beiden Optionen verpflichtet sich die Stadt aber im Gegenzug, Ersatzteile weiterhin ausschließlich von WALL JCDecaux zu beziehen. Weiterhin soll die Stadt sich verpflichten, diese Unterstände zu mindestens 75% für weitere zehn Jahre zu belassen. Modernisierungen sind damit ausgeschlossen und erschweren die Nutzung zu Werbezwecken, besonders in innovativen Formaten.
Unsere Position:
Das Angebot von WALL bringt für die Stadt mehr Nach- als Vorteile. Neben der Ersatzteilfrage wäre insbesondere der Aufbau des Managements für die Betreibung und Vermarktung der Werbeflächen zwingend notwendig. Die Beteiligung an bundesweiten Werbekampagnen und die Erzielung der erwarteten Einnahmen für die Stadt ist sehr unwahrscheinlich. Die Umrüstung der bestehenden Werbeträger wie Fahrgastunterstände und Citylightsposter für digitale Werbeformate müsste durch die Stadt oder eines ihrer Unternehmen finanziert werden. Der Aufwand und die geringere Einnahmeerwartung stehen in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis.
Ein Austausch der Unterstände ermöglicht dagegen eine umfassende ökologische Modernisierung: Technisch ist es inzwischen möglich, die Unterstände komplett aus wiedergewonnenen Baustoffen im Sinne einer umfassenden Kreislaufwirtschaft herzustellen und damit sogar noch Materialkosten zu sparen. Neue Unterstände sind von vorneherein statisch dafür vorgesehen ein Gründach aufzunehmen oder als Rankgitter zu dienen. Damit schaffen wir kühlende Inseln in den immer stärker überhitzten Straßenräumen in den Dresdner Sommern. Auch die Beleuchtung der Haltestellen kann mit Hilfe von Solarzellen umweltschonender und sparsamer erzeugt werden.
Deshalb ist auf GRÜNE Initiative hin im Änderungsantrag festgeschrieben, dass ökologische Kriterien zur Gestaltung der Werbeanlagen in der Ausschreibung umfassend berücksichtigt werden.
Wirtschaftspolitisch ergeben sich daraus gleich in mehrfacher Hinsicht Vorteile: Mit einer entsprechenden Ausschreibung beschleunigen wir den Umstieg auf nachhaltiges Wirtschaften – und zwar ohne Verbote, mit marktgerechten Anreizen! Die Kosten für den Umwelt- und Klimaschutz fallen dabei umso geringer aus, je konsequenter die Anbieter ökologische Aspekte in ihrer Fertigung berücksichtigen. „Grünere“ Anbieter der Stadt können so der Stadt bessere Konditionen für das Werberecht an den Fahrgastunterständen anbieten als weniger ökologisch ausgerichtete Mitbewerber. Mit einer entsprechenden Ausschreibung profitieren die Stadt also doppelt: durch ökologisch modernisierte Unterstände und durch höhere Einnahmen aus der Konzession.
Langfristig, das heißt: Nach dem Auslaufen der neu zu vergebenden Konzession, sollen die Unterstände diesmal in das Eigentum der Stadt übergehen. Dafür soll von vorneherein ein fairer Preis (zum Beispiel der Buchwert) in den Verträgen festgeschrieben werden. Das sieht bereits der Beschlussvorschlag der Verwaltung so vor.
Berliner Modell?
Von verschiedenen Seiten ist in Bezug auf die Werbung an den Unterständen auf das „Berliner Modell“ verwiesen worden. In Berlin gehören die Werbeanlagen an Haltestellen den Verkehrsbetrieben; vermarktet wird nur das Werberecht. Dieses Modell jetzt auf Dresden zu übertragen, würde erst einmal enorme zusätzliche Kosten für die Verkehrsbetriebe und damit für die Stadt auslösen. Der DVB fehlt das Know–how für den Werbemarkt; sie kann auch keine Skalenvorteile erzielen, indem sie Unterstände in größerer Zahl auch für andere Städte herstellt. In Leipzig wurde bei der Neuausschreibung 2017 der Umstieg auf das Berliner Modell durchgerechnet. Am Ende entschied man sich dafür, die Unterstände durch den Anbieter RBL Media errichten zu lassen, weil dessen Angebot einfach sinnvoller war als eine Eigenlösung.
Unsere Position:
Das Berliner Modell ist keine Lösung für Dresden im Jahre 2022. Wir würden unsere Einnahmen durch Mehrkosten schmälern. Diese Mehrkosten würden auf jeden Fall über das hinausgehen, was ein spezialisierter privater Anbieter dafür aufwenden muß. Damit würden wir unsere Einnahmen aus der Konzession also unnötig schmälern. Durch den Erhalt der Unterstände würden wir außerdem eine wichtige Chance auf ökologische Modernisierung vertun. Deshalb ist es folgerichtig, die Unterstände j durch spezialisierte private Anbieter neu errichten zu lassen und dann die Option zu haben, sie in 15 Jahren zu einem fairen Preis zu übernehmen.
Fairer Wettbewerb und Digitalisierung
Entgegen dem bisherigen Vorschlag aus der Verwaltung ein einziges großes Hauptlos zu bilden in dem alle 800 Fahrgastunterstände, Megalights, Citylights und z.T. auch Litfaßsäulen enthalten sind und drei weitere Nebenlose die nur eine sehr kleine Anzahl und Formate von weiteren Werbeträgern enthalten würden gehen wir in unserem interfraktionellen Änderungsantrag den Weg, zwei fast gleichrangige Hauptlose zu bilden, die einerseits den Schwerpunkt 800 Fahrgastunterstände im anderen Los alle anderen Werbeträger wie Litfaßsäulen, Citylights, Megalights etc. zusammenfassen. In einem dritten Los werden die Mastwerbeschilder und in einem vierten Los Uhren als Werbeträger ausgeschrieben die nach unserer Auffassung als Nebenlose mit geringer Einnahmeerwartung aber als wirtschaftsfördernde Angebote eingestuft werden.
Unsere Position:
In beiden Hauptlosen setzen wir auf digitale Werbeflächen und -formate, um damit zum einen Ressourcenschonung bei der Einsparung von Werbemitteln zu erreichen, weiterhin eine tagesaktuelle Information in der Stadtbevölkerung zu ermöglichen und zu einer Ausschreibung von Standorten für Werbeträger zu kommen, die nicht mehr nur an klassischen Formaten orientiert ist. Dabei haben die potenziellen Anbieter von Stadtwerbeträgern ihre jeweiligen Schwerpunkte. Mit einer entsprechenden Losaufteilung soll vermieden werden, dass einzelne Anbieter Werbeflächen mit vermarkten müssen für die ihnen das entsprechende Know-how fehlt und uns damit entsprechende Einnahme für die Stadt verloren gehen. Mit der Bildung von zwei Hauptlosen sehen wir auch einen fairen Wettbewerb gegeben, bei dem ein deutlich geringeres Klagerisiko gegen die zu treffenden Vergabeentscheidungen zu erwarten ist.
Unabhängig von der durch die Stadt auszuschreibenden Stadtwerbeverträge, die insbesondere Standorte und Werbeträger innerhalb des 26-er Rings betreffen, werden Werbeträger auf privaten Grundstücken davon nicht berücksichtigt.
Torsten Schulze und Anja Osiander
Stadträte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN