Rede von Agnes Scharnetzky zur Aktuelle Stunde zum Thema „Gewaltfreiheit als unverhandelbare Grundlage politischer Meinungsbildung“ am 12.05.2021
Sehr geehrte Herr 1. Bürgermeister,
Sehr geehrte Kolleg*innen Stadträte,
Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
Gewalt ist kein Mittel der demokratischen politischen Auseinandersetzung, nicht physisch, nicht psychisch, gar nicht. Darum lehnen wir als Grüne Fraktion Gewalt in der politischen Auseinandersetzung ab und distanzieren uns.
Ich muss an dieser Stelle aber auch einräumen: Wir thematisieren das heute, weil es einen medial dargestellten Vorfall gab. Es gab andere Übergriffe, beispielsweise den Brandanschlag auf das Auto von Max Aschenbach, bei dem wir uns nicht annähernd klar und prominent positioniert haben. Es gibt auch Vorfälle, die durch die Kolleg*innen nicht öffentlich gemacht werden.
Die Angriffe richten sich gegen die Betroffenen selbst und gegen ihre Familie. Sie führen zu finanziellem Schaden und zu Angst bei Menschen, die mit dem Stadtrat nichts zu tun haben. Sie machen politische Menschen stumm. Im Zweifel machen sie nicht diejenigen stumm, die getroffen wurden, sondern die, die aus der Beobachtung auch Angst entwickeln. Die ihren Familien solche Angriffe nicht zu muten wollen, die darum nicht kandidieren, nicht sprechen, sich nicht zeigen.
Was können wir konkret tun, um diesen Angriffen, etwas entgegen zu setzen? Wir können das uneingeschränkte Gewaltmonopol des Staates akzeptieren. Dazu gehört auch, dass Ermittlungsarbeit Sache der Polizei ist und wir uns mit der abschließenden Bewertung konkreter Vorfälle zurückhalten, so lange diese Ermittlungsarbeiten nicht abgeschlossen sind. Gerichtet werden Straftaten von Gerichten, nicht von der öffentlichen Meinung.
Wir müssen uns als Demokrat*innen uneingeschränkt zu demokratischem Pluralismus bekennen. Hier im Stadtrat und in unseren übrigen Wirkungsfeldern, wo wir zwangsläufig auch als Stadträt*innen des Dresdner Stadtrats wahrgenommen werden. Demokratischer Pluralismus heißt auch, dass Positionen und Diskursen keine Bühne geboten wird, die sich gegen die Demokratie, den Rechtsstaat und seine Werte richten. Seit Jahren treten Akteur*innen der Neuen Rechten in Dresden auf, die ihre staatsfeindlichen Positionen unwidersprochen postulieren können und dafür Applaus erfahren. Das trägt zu einem politischen Klima bei, in dem ein Stein und ein brennendes Auto irgendwann fast harmlos erscheinen. Wir haben es nicht mit verbalen Unflätigkeiten gegen politische Akteur*innen zu tun sondern mit Morddrohungen und mit physischen Bedrohungen, die Politiker*innen auch in Kommunen kapitulieren lassen. Es gipfelt im Mord an einem Regierungspräsidenten. Walther Lübke wurde auf der eigenen Terrasse erschossen.
Diesem demokratiefreindlichen Klima hier und überall etwas entgegenzusetzen lässt sich nicht einfach nur unterschreiben. Dafür ist ein Prozess von Nöten. Positionen und Perspektiven müssen verhandelt werden. Ich bitte die Verwaltungsspitze und namentlich den Oberbürgemeister Herrn Hilbert, diesen Prozess hier für den Stadtrat mit uns gemeinsam zu gestalten. Mit einem Forum, wo wir uns nicht wechselseitig zum Sündenbock machen, sondern auf Augenhöhe miteinander unsere Perspektiven verhandeln. Mit dem Papier der 15 Stadträtinnen und dem Vorschlag zu einer gemeinsamen Erklärung aus der Verwaltung haben wir erste Aufschläge, diese moderiert zusammenzuführen, ist aus meiner Sicht ein guter nächster Schritt in diesem notwendigen Prozess.