Rede zur gescheiterten Kulturhauptstadtbewerbung

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste im Saal und im Livestream,

ich schließe mich dem Dank am alle an, wir benötigen eine nüchteren Analyse, was lief nicht gut und was lernen wir daraus?

Was hat die Jury bemängelt: U.a. die mangelnde Einbeziehung der ansässigen Kultureinrichtungen. Die unklare Definition, worin der Mehrwert der Kulturhauptstadt gelegen hätte. Die mangelnde Untersetzung, wie man tatsächlich durch Kultur positive Impulse für die Demokratie setzen könnte. Das Fehlen einer durchdachten europäischen Dimension. Die nicht vorhandene Reflexion über die Bedeutung des Verlustes des UNESCO-Welterbetitels (ohne Worte! Dass man auf diese Frage, wie Dresden damit umgeht (und das sind jetzt meine Worte), dass es sich beim Thema Welterbe trotzig und verbohrt selbst au einem Kreis der kulturellen Premier League geschossen hat, bei der Präsentation offenkundig nicht vorbereitet war, ist leider symptomatisch).

Nach meiner eigenen Analyse haben wir es bei der Bewerbung tatsächlich versäumt, zunächst einmal eine Bestandsaufnahme der eigenen (vorhandenen) Stärken vorzunehmen. Dresden ist eine Kulturstadt. Die Kultur in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen ist hier, wie kaum irgendwo sonst, in der Bevölkerung verankert. Auf Basis dieser hätte die Stadt dann zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern ein gemeinsames kulturelles Leitbild entwickeln und herausfiltern können, worin man den Mehrwert einer Kulturhauptstadt sieht und wie man diesen zu erzielen gedenkt. Das geht aber nur mit maximaler Partizipation.

Die war anfangs auch super. Es gab großartige Bürgerwerkstätten, die 2018 entwickelten Orte des Miteinanders bezogen auf wunderbare Weise die Stadtteile und die freie Szene mit ein. Das war damals sehr vielversprechend. Leider ging nach der Gründung des Kuratoriums und der Amtsübernahme des Kurators wieder  eine Abkoppelung von der Stadtgesellschaft einher, und die Bewerbung wurde zunehmend verkopft. Bei der Findung des in diversen Kreisen von Beginn an hoch umstrittenen Mottos gab es genau KEINE Beteiligung der kulturellen Akteure und der Bürgerschaft. Das war eine verpasste Chance und das sehe ich im Nachhinein auch als falsch an. Und die Jury hat ja ganz offenkundig eben doch nicht nur in das (schön gestaltete) Bidbook geschaut, sondern sich sehr genau angesehen, wie die Stadt tatsächlich agiert: Welche Leidenschaft steckt hinter der Bewerbung, welche konkreten Ideen hat die Stadt, um sich europäisch zu verorten? Wie bezieht sie die diversen vorhandenen Communities mit ein? Welche demokratischen Impulse setzt sie? Funktionieren die gewählten Veranstaltungsformate, oder bewirken sie nicht womöglich das Gegenteil? Wie geht Dresden mit seinem kulturellen Erbe um? Das müssen wir nüchtern zur Kenntnis nehmen.

Aber welche Konsequenzen ziehen wir nun aus dem Ergebnis? – dies ist ja die Frage der heutigen aktuellen Stunde! Für mich ganz zentral die, die oben benannten Fragen ehrlich zu beantworten und, wo nötig, entsprechend zu handeln. Ein einfaches „Weiter so“ ist jedenfalls nicht zielführend. Wir sollten uns aber gleichzeitig auch nicht den Schneid abkaufen lassen, mutig nach vorn zu sehen. Auch hier hilft vielleicht erst einmal ein Blick auf das Résumée der Jury: Diese ermutigt Dresden ja beispielsweise ausdrücklich, in die Freie Szene als „wichtiges Element für die räumliche und soziale Entwicklung der Stadt“ zu investieren. Wunderbar. Lassen Sie uns dies tun! Wir sollten, das wäre meine Empfehlung, auch weiter in das Projekt Robotronkantine investieren, das ausdrücklich positiv bewertet wurde, sollten an den in der Bewerbung verankerten Kultur- und Nachbarschaftszentren festhalten, die wir in den Stadtteilen aufbauen wollen und für die es ja auch einen breiten Konsens in der Stadtgesellschaft gibt (das war EIN zentrales Ergebnis der damaligen Bürgerwerkstätten). Und wenn wir es am Ende schaffen, die Kräfte unserer facettenreichen Kulturlandschaft zu bündeln, kulturelle Leuchttürme wie nicht-institutionalisierte Szene und die Bürgerschaft (so wie zu Beginn der Bewerbung) einzubinden und dann gemeinsam zu definieren, wohin wir uns als Kulturstadt Dresden entwickeln wollen, dann wäre dies ein wichtiger Schritt. Auch diesen sollten wir gehen.