Rede zum Fernsehturm am 22.04.2021
Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
nun also soll es in die Endrunde gehen mit dem Fernsehturm. Wir entscheiden dabei heute tendenziell über eine Großinvestition von mindestens 40 Millionen Euro.
Was soll hier passieren? Ein Turm, der mitten in einem verkehrsberuhigten reinen Wohngebiet liegt, soll nach den hochfliegenden Plänen, die uns hier präsentiert werden, zum Ziel von Massentourismus werden – 12 km vom Stadtzentrum entfernt (kürzeste Strecke), 1 Stunde Fahrtzeit mit Bahn und Bus.
Glauben Sie wirklich, dass die Menschen nach Dresden kommen, um fernab vom Zentrum auf einen Fernsehturm zu steigen? Mit Ausnahme des Fernsehturms am Alex in Berlin haben alle Städte, die einen solchen betreiben wie Hamburg oder Stuttgart große Probleme dies wirtschaftlich zu tun. Und dort stehen die Türme im Stadtzentrum oder einem zentrumsnahen Park. Glauben Sie wirklich, das wird in Dresden alles anders sein? Touristen kommen nach Dresden, um den Zauber des Barocks zu erleben, die Frauenkirche, den Zwinger, um die Kunstwerke in der Gemäldegalerie zu genießen, die Faszination der Semperoper oder eine Fahrt mit dem Raddampfer, nicht um auf einen Fernsehturm zu steigen. Wer die Aussicht auf die Dresdner Altstadt genießen will, kann das viel besser von der Frauenkirche oder vom Rathausturm aus tun (wenn er denn mal wieder geöffnet würde). Und wer den Blick auf die Elbe und in die Sächsische Schweiz erleben will, der kann dies wunderbar von der Agneshöhe unterhalb des Fernsehturms aus tun.
Nun gibt es aber noch die Dresdner und Dresdnerinnen selber. Deren vermeintliches Begehren, auf den Fernsehturm zu steigen, scheint mir die hauptsächliche Motivation für den Förderverein zu sein, das Vorhaben so vehement voranzutreiben. Aber braucht es dazu wirklich diese großtouristische Nutzung? Wenn erstmal alle oben waren, wird der Ansturm rasch abebben.
Und was wird dann werden? Man sagt uns, das Betriebsrisiko liegt allein beim Betreiber. Und was machen wir, wenn der Risikofall eintritt und der Betreiber insolvent wird? Sperren wir dann den Fernsehturm wieder zu? Nein, dann werden die Rufe laut sein, dass doch die Stadt hier einspringen möge und die fehlenden Millionen aus dem Haushalt zuschießen solle. Und dann haben wir genau das, was angeblich jetzt niemand will. Und die Millionen fehlen beim Schul- oder Radwegebau.
Wenn wir jetzt die 6,4 Millionen Euro mit dem Letter of Intent frei machen, dann ist das ja nur der Anfang. Viel teurer wird die Realisierung des Verkehrskonzepts. Da sind wir dann schnell bei 40 Millionen Euro. Nun wird immer von den Sowieso-Maßnahmen gesprochen, die eh anstünden. Nun, wir haben viele solche Sowieso-Maßnahmen in der Stadt. Ich nenne nur die Stauffenbergallee und das Blaue Wunder. 139 Millionen Euro soll die Sanierung kosten, keine Fördergelder sind in Sicht und die Stadt weiß nicht, woher sie das Geld nehmen soll. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, hier sollte das Geld investiert werden, bevor das Blaue Wunder zusammenbricht. Es ist unglaublich, dass wir uns mitten in der Corona-Pandemie mit klammen Kassen und Finanzierungslücken allenthalben ein kostspieliges Luxusprojekt wie die Fernsehturm-Sanierung leisten wollen. Erklären Sie das mal Eltern, die dringend auf die Sanierung der Schule ihrer Kinder warten!
Wenn es der dringende Wunsch von Dresdner*innen ist, einmal die Welt vom Fernsehturm aus zu sehen, dann gibt es andere Wege dazu. Schon jetzt werden gelegentlich kleine Gruppen auf den Fernsehturm geführt. Warum soll das nicht ausbaufähig sein, ohne dass eine großangelegte Ausbaumaßname stattfindet? Solch eine museale Nutzung wird allen Dresdner*innen, Fernsehturmfans, Gegnern und Anwohner*innen gerecht, und ist eine echte Alternative zu einem großtouristischen Projekt. Sie verdient eine eingehende Prüfung und nicht eine pauschale Ablehnung wie im Ausschuss. Deshalb stimmen Sie daher unserem entsprechenden Ergänzungsantrag zu, der nichts verbaut, sondern einen anderen Weg prüft.
Um es noch einmal deutlich u sagen: Wir entscheiden heute darüber, ob wir 40 Millionen Euro oder mehr in ein vielleicht ganz nettes, aber nicht wirklich notwendiges Prestigeprojekt zum temporären Vergnügen investieren und dafür dringend notwendige Investitionen in die Sanierung des Blauen Wunders oder für den Schulbau in der Schwebe lassen und noch dazu weite Teile der Hochland-Bevölkerung außerordentlichen Verkehrsbelastungen und -risiken aussetzen wollen. Für eine allen Bürger*innen gegenüber verantwortliche Politik sollte klar sein, dass wir das nicht wollen.
Deshalb werden wir gegen eine unveränderte Vorlage stimmen.
Vielen Dank!